Wer ist normal?
Bin ich nicht normal, weil ich…
keine Spiele auf meinem Handy habe oder bei Facebook spiele,
lieber unter vier Augen, als in einer großen Gruppe rede,
frisch gemahlenen Pfeffer, Pfefferpulver vorziehe,
als Mann auch kochen kann,
gern „Just Dance“ auf der Wii spiele,
Hochwasser
Tobias Beckmann
Heimat: Meseberg (Wische)
Die Pegel sinken langsam. In ein paar Wochen sollten sie wieder normale Werte erreicht haben.
Derzeit kämpfen noch immer Menschen, östlich der Elbe, gegen das Wasser. Mit viel Glück, unendlicher Manpower und auch Technik ist uns in der letzten Woche so ein Schicksal erspart geblieben.
Die Eindrücke, die ich im Verlauf der letzten Woche sammeln durfte, werden mich sicher noch mein ganzes Leben begleiten. Wann passiert es schon einmal, dass ich ein höchst präzises Absetzen von tonnenschweren Big Packs mittels eines Militärhubschraubers aus wenigen Metern Entfernung beobachten darf? Besonders beeindruckend ist für mich, in welch kurzer Zeit sich hunderte von Menschen mobilisieren lassen. Und dies, obwohl wir eine sehr spärlich besiedelte Region sind. Die Hilfsbereitschaft kannte keine Grenzen.
Immer wieder wird „die Jugend von heute“ in einem eher schlechten Licht dargestellt. Jedoch hat sich dieses Bild in der letzten Woche gewandelt. Mir ist aufgefallen, dass gerade diese Menschen besonders viel Einsatz gezeigt haben, um ihre Heimat zu sichern. Egal ob jemand schon seit Jahren in anderen Teilen Deutschlands unterwegs ist, in der letzten Woche sind alle zusammen getreten um anzupacken.
Für mich wurde die Notwendigkeit von Einrichtungen wie der Bundeswehr, dem THW und der Freiwilligen Feuerwehren sehr deutlich. In einem solchen Katastrophenfall wird jede dieser Einrichtungen, mit ihren Erfahrungen und Organisationsstrukturen, benötigt. Auch wenn es teilweise zu Kompetenzgerangel gekommen ist, mindert es nicht die erbrachte Leistung jedes Einzelnen.
Hervorheben möchte ich auch die zahlreichen Leute, die zu einer sehr guten Versorgung beigetragen haben. Der/Die eine oder andere Helfer/in wird sich hinterher kaum auf die Waage trauen, so gut hat die Versorgung funktioniert. Anwohner kamen immer wieder mit Lebensmitteln vorbei, um ihren Dank für die umfangreiche Unterstützung zum Ausdruck zu bringen.
Zum Ende sollte ich unbedingt noch den politischen Katastrophenstab loben. Sie haben, nach leichten Verzögerungen und eines Führungswechsels, durch ihre Entscheidungen unbedingten Willen bewiesen. Ein zweites Fischbeck westlich der Elbe galt es zu verhindern. Ich denke, dass sie jeder Zeit in der Lage waren, die Situationen richtig zu erkennen und einzuschätzen. Mir erscheint es deshalb unnötig, die Einsatzkräfte am Deich zu besuchen. Diese Besuche verfehlen in den meisten Fällen ihren Zweck und offenbaren sich zu den reinsten Schauspielen. So ein Schauspiel sollte dann wohl eher da bleiben, wo es hingehört, im Theater.
Dieser Text dient mir vor allem zur Aufarbeitung meines Erlebten. Er soll aber auch zeigen, wie viel von jeder Seite und jedem Einzelnen dazu beigetragen wurde, unsere Heimat „trocken“ zu halten.
Danke.
Erschienen als Leserbrief in der Altmarkzeitung und Volksstimme.